Mein Jahresrückblick 2024 – Interkulturelle Begegnungen & Resilienz im Fokus
Bewegendes Teamcoaching bei Bizerte, Tunesien.
Der Jahreswechsel ist für mich eine Zeit der Reflexion. Er lädt dazu ein, innezuhalten und die beruflichen Erfahrungen und Begegnungen des vergangenen Jahres Revue passieren zu lassen – inklusive der kleinen und großen Momente der Freude, der Themen und Erkenntnisse, die mich beschäftigt haben, und auch Menschen, die mich begleitet haben.
3 Jahre Selbstständigkeit liegen nun hinter mir.
Eine gute Mischung aus Online- und vor-Ort-Arbeit ermöglichten mir zunehmend ortsunabhängiges Arbeiten, was meinem Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit sehr entgegenkommt. Neu hinzugekommen zu meinem Angebot sind in diesem Jahr Teamcoachings.
Was mich 2024 in meinem Business beschäftigt hat.
Raus aus dem Kopf, rein in den Körper und die Emotionen.
Im Frühjahr sendete mir mein Körper ein klares Signal, dass ich dringend eine Auszeit brauchte. Die vorherigen Warnsignale wie Erschöpfung, längere Regenerationszeiten, Gereiztheit und Überreizung hatte ich übergangen, bis ich schließlich mehrere Wochen mit einem fiesen, sehr schmerzhaften Virus flach lag.
Als es mir besser ging und ich die Schmerzmedikamente absetzen konnte, drängte mich mein innerer Antreiber sofort zurück an den Schreibtisch.
Einige Tage quälte ich mich unproduktiv durch die Arbeit, bis ich einsah, dass es fürs Arbeiten noch zu früh war und ich nun ENDLICH auf meinen Körper hören sollte. Hätte ich eine Krankschreibung vom Arzt gehabt, wäre diese wohl nicht mit dem ersten Abflauen der Symptome beendet gewesen, sondern hätte noch einige Tage Rekonvaleszenz umfasst. Fluch und Segen der Selbstständigkeit: Hier bestimme ich selbst, wann ich an die Arbeit zurückkehre.
Doch was mir dabei sehr klar wurde:
Wie paradox ist es, dass ich einer medizinischen Fachkraft im weißen Kittel Vertrauen schenke und eine Ruhepause akzeptiere, aber auf meinen eigenen Körper als Indikator nicht hören will?
Wie wenig wichtig nehme ich mich also selbst?!
Diese Erkenntnis hat mich tief berührt und nachdenklich gemacht.
Interessanterweise ist das auch ein Thema, das mir bei meinen Klientinnen und Klienten in diesem Jahr oft begegnet ist.
Wir sind so stark von äußeren und eigenen Erwartungen getrieben und arbeiten unsere To-Do-Listen ab, dass wir die Signale unseres Körpers überhören. Auch bei Entscheidungen verlassen wir uns meist auf rationale Argumente, während das Bauchgefühl, unsere Intuition, als wertvolle Erfahrungsquelle oft unbeachtet bleibt.
“Mein bisher gelebtes Leben kann eine reiche Quelle der Kraft, der Substanz, der Weisheit sein. Wenn, aber nur wenn, ich die existenziellen Schlüsselerfahrungen nicht nur VERSTANDEN, sondern auch EMOTIONAL VERARBEITET habe“.
(Verena Kast)
Diese Dualität von VERSTAND und WISSEN einerseits und KÖRPER und FÜHLEN andererseits ist mir auch im Rahmen meiner systemischen Coaching-Weiterbildung dieses Jahr begegnet. Die Ausbilderin sagte dort: „Reden und Spüren schließt sich gegenseitig aus“. Das von ihr eingebrachte Zitat von Verena Kast wirkt in dem Zusammenhang bei mir noch nach: „Mein bisher gelebtes Leben kann eine reiche Quelle der Kraft, der Substanz, der Weisheit sein. Wenn, aber nur wenn, ich die existenziellen Schlüsselerfahrungen nicht nur VERSTANDEN, sondern auch EMOTIONAL VERARBEITET habe“.
Gezeigt hat sich dies auch im Rahmen eines zweitätigen Teamcoachings, bei dem ich ein langjähriges, stark zusammengewachsenes Team im Auflösungsprozess (Adjourning) begleiten durfte. Für alle Beteiligten war das Projektende absolut klar, jedoch die Akzeptanz des Endes und der Abschied auf der emotionalen Ebene standen auf einem völlig anderen Blatt. Dementsprechend intensiv war dieses Teamcoaching, auch für mich.
Die Balance aus Geist und Körper wird mich auch im Jahr 2025 begleiten.
Auch möchte ich meine gewonnenen Erfahrungswerte noch weiter mit entsprechenden Tools aus Embodiment – der wechselseitigen Verbindung von Körper, Geist und Umwelt in der menschlichen Erfahrung- und Achtsamkeit vertiefen und in meine Coachings, Workshops und Seminare einfließen lassen.
Mentale Gesundheit im Kontext interkultureller Begegnungen und Zusammenarbeit.
Als ich 2022 mein Zertifikat für die Ausbildung zum Resilienz-Coach erworben habe, handelte es sich bei meiner Abschlussarbeit um ein Konzept für ein Training zur Stärkung von Resilienz im interkulturellen Kontext.
Auf Basis meiner vielfältigen eigenen interkulturellen Erfahrungen sowie meiner beruflichen Beobachtungen, insbesondere bei der Vorbereitung internationaler Fachkräfte auf das Leben und Arbeiten in Deutschland, wurde mir zunehmend bewusst, wie stark diese beiden Themengebiete miteinander verknüpft sind.
Voller Einsatz beim Coaching.
Ein kultureller Übergang in ein anderes Land und eine neue Kultur stellt eine große Herausforderung dar.
Die veränderten Lebensumstände erfordern eine umfassende Neuausrichtung der betroffenen Person auf verschiedenen Ebenen, von der sozialen und emotionalen bis hin zur beruflichen Integration. Dieser Prozess wird in der Fachliteratur oft als „kulturelle Anpassung“ bezeichnet und umfasst tiefgreifende Veränderungen in der Identitäts- und Verhaltensweise der betroffenen Person. Andere kulturelle Praktiken, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen erfordern Umstellungen, die schnell zu Überforderung und Destabilisierung des psychischen Wohlbefindens führen können.
Neben diesen Herausforderungen kommen oft noch Veränderungen in der Wohnumgebung, im Nahrungs- und Warenangebot hinzu. Zudem sind bisher gut funktionierende Stressbewältigungs-Techniken in der neuen Lebenssituation möglicherweise nicht mehr praktikabel.
Jetzt gibt es eine Menge Unterstützungsangebote auf den Ebenen Spracherwerb, Bürokratie, Kulturverständnis.
Das Thema „mentale Gesundheit“ jedoch ist in dem Zusammenhang noch unterrepräsentiert. Diese Lücke möchte ich gern schließen, indem ich auf verschiedenen Ebenen ansetze:
Für Menschen, die ein Leben in einem anderen Land planen, möchte ich bereits in der Vorbereitungsphase den Fokus auf Themen wie „Mentale Gesundheit“ und „Resilienz“ legen. Im Jahr 2024 habe ich hierzu zwei Trainings über das größte deutsche Kulturinstitut im Ausland, das Goethe Institut, gegeben, die mit großem Interesse und Begeisterung aufgenommen wurden.
·Parallel halte ich es für essenziell, auch die Arbeitgeber in Deutschland und die Teams, in die ausländische Fachkräfte integriert werden sollen, in diesen Prozess einzubeziehen – gern auch über die ersten 100 Tage im Job hinaus. Denn ich bin überzeugt, dass erfolgreiche Integration von ausländischen Fachkräften mehr ist als nur Assimilation an den deutschen (Kultur-)Standard. Es handelt sich vielmehr um einen Change-Prozess, der alle betrifft und selbst alteingesessene MitarbeiterInnen unter Umständen gehörig durcheinanderwirbelt. Schnell gerät dann auch die psychologische Sicherheit im Team ins Wanken.
Zahlen Daten Fakten
Workshops , Trainings, Teamcoachings.
Insgesamt habe ich in 2024 16 Trainings und Workshops für 5 verschiedene Kunden durchgeführt.
Die Themen waren dabei Stressbewältigung, Vorbereitung auf das Leben und Arbeiten in Deutschland, Resilienz im interkulturellen Kontext, die Durchführung von Führungskräfte-Feedbacks und Kommunikation und Zusammenarbeit.
Die Hälfte der Tage habe ich auf Deutsch durchgeführt, die andere Hälfte fand auf Französisch statt.
Im Rahmen von Teamcoachings durfte ich 4 Teams an insgesamt 10 Terminen begleiten. Die Themen erstreckten sich dabei über den gesamten Zyklus von Teamentwicklung (Beginn der Zusammenarbeit, Verbesserung von Kommunikation und Konfliktmanagement, Verteilung von Zuständigkeiten, Auflösung und Abschied nehmen).
Einzelcoaching.
Im Laufe des Jahres habe ich mit 14 CoachingklientInnen gearbeitet und insgesamt 51 Einzelcoachingsitzungen durchgeführt.
Der Rhythmus der Coachingsitzungen ist dabei immer individuell. Gemeinsamkeiten zeigen sich jedoch auch: Viele KlientInnen beginnen mit zwei-bis dreiwöchentlichen Sitzungen und wechseln später zu einem sechs- bis achtwöchentlichen Rhythmus.
Meine Arbeit war sprachlich vielfältig: 35% der Sitzungen fanden auf Deutsch statt, 35% auf Französisch und 30% auf Englisch.
Der Großteil der Sitzungen – 63% – war in Präsenz, während 37% online über Zoom stattfanden.
In meinen Coachings ging es um Themen wie Stressbewältigung, Selbstfürsorge, Veränderungen, kulturelle Dynamiken, Prüfungsangst und Führungskompetenzen.
Auffällig war immer wieder der hohe Selbstanspruch und die Härte, mit der sich viele KlientInnen begegneten – oft ein Thema, das im Verlauf der Sitzungen immer zentraler wurde.
Eindrücke, die mich persönlich bewegt haben.
Reisen erweitert den Horizont.
In diesem Jahr durfte ich gleich drei außergewöhnliche Länder kennenlernen.
Neben einer „Coolcation“ auf den Färöer-Inseln, wo ich bei maximal 14 Grad im Juli einen Wanderurlaub verbrachte, besuchte ich Ghana und Algerien.
In Ghana erlebte ich Westafrika erstmals hautnah – fasziniert hat mich die Natur, die Tierwelt und der respektvolle Umgang im Miteinander. Der Besuch des Sklaven-Forts Cape Coast Castle erschütterte mich: die unmenschlichen Bedingungen dort lassen sich ohne weiteres mit deutschen Konzentrationslager vergleichen.
Umso mehr beeindruckt mich, wie die ghanaische Bevölkerung heute dieses Erbe pflegt und die Diversität des Landes schätzt, wie im „Year of Return“ 2019, das die afrikanische Diaspora zur Rückkehr aufrief.
In Algerien begegnete ich dem Erbe von Franz Fanon, einem wegweisenden Denker der Dekolonialisierung, der die psychischen und sozialen Auswirkungen von Kolonialismus analysierte und sich für die Wiederherstellung der menschlichen Würde einsetzte. Begeistert hat mich zudem die atemberaubende, grüne Landschaft der Kabylei, die Gastfreundschaft der Berber und die geschichtsträchtige Kasbah von Algier.
Feststeht: ich bin zutiefst dankbar, solche Reisen machen zu können und mit neuen Sichtweisen, Perspektiven und geschichtlichen Ereignissen, die sich so in keinem deutschen Geschichtsbuch finden lassen, in Berührung zu kommen.
Reisen erweitert WIRKLICH den (gedanklichen) Horizont.
Ruhige Momente in der Natur tanken mich auf – hier im Mole National Park in Ghana.
Die Widerstandskraft von Gisèle Pélicot.
Ihre Geschichte hat mich tief berührt: Jahrzehntelang wird eine Frau von ihrem Mann missbraucht, narkotisiert und anderen Männern für sexuelle Handlungen angeboten, die er filmt. Sie selbst bemerkt nur die Nebenwirkungen wie Filmrisse und Vergesslichkeit und fürchtet Alzheimer.
Durch einen Zufall kommen die Taten ans Licht, und sie entscheidet sich, in einem öffentlichen Gerichtsprozess gegen ihre Peiniger zu kämpfen.
Ohne Scham, sondern mit dem klaren Statement: „Die Scham muss die Seite wechseln“ bringt sie den gesellschaftlichen Umgang mit Gewalt gegen Frauen auf den Punkt. Sie lehnt es ab, den Nachnamen ihres Mannes abzulegen, um zu verhindern, dass ihre Kinder und Enkel sich dafür schämen. Schließlich wird die Welt sich nicht an ihren Mann erinnern, sondern an sie – Gisèle Pélicot.
Chapeau, Madame!
So viel Widerstandsfähigkeit, Resilienz, Standhaftigkeit und Stolz habe ich selten beobachten können.
Aus meiner Sicht ist Gisèle Pelicot vor und während dieses Prozesses völlig zur Recht zu einer Symbolfigur des Kampfs gegen Gewalt an Frauen und Heldin geworden.
Ausblick auf 2025
In diesem Jahr freue ich mich darauf, mein Angebot noch vielfältiger und zielgerichteter zu gestalten.
Mein Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, ausländische Fachkräfte erfolgreich ins Team zu integrieren, nachhaltige Perspektiven zu schaffen und so eine Arbeitsatmosphäre zu fördern, die gesund und bereichernd für alle Beteiligten ist.
Zudem möchte ich in meinen Einzelcoachings verstärkt anreichern mit Elementen zu Körperbewusstsein und Naturerfahrungen, um persönliche Entwicklungsprozesse noch intensiver zu begleiten. Auch die Weiterentwicklung von Gruppenformaten für Privatpersonen, sei es in Form von Trainings oder Workshops – vor Ort oder online – liegt mir besonders am Herzen.
Privat ist es mir wichtig, den Kontakt zu meinen Liebsten ganz bewusst zu pflegen und in meinen Alltag zu integrieren.
Ich bin bereit für die nächsten Herausforderungen und Sternstunden.
Lass uns gemeinsam DEIN 2025 gestalten – ich bin gespannt auf deine Nachricht!